Die Wahl des Ziels
So verlockend Südeuropa für einen Sommerurlaub auch ist: Wer mit dem E-Auto unterwegs ist, ist unter Umständen weiter nördlich besser aufgehoben. Man sollte sich vor der Abreise auf alle Fälle genau anschauen, wie es um die öffentliche Ladesäulen-Infrastruktur im Zielland bestellt ist. Denn diese unterscheidet sich innerhalb Europas extrem. „Rund 71 Prozent aller Ladestationen in Europa verteilen sich auf nur fünf Länder“, erklärt Birgit Dreyer.
„An der Spitze stehen mit großem Abstand die Niederlande mit rund 82.000 Ladestationen, darauf folgen Deutschland (47.076), Frankreich (45.990), das Vereinigte Königreich (33.832) und Norwegen (19.119)“. Weit abgeschlagen sind beliebte Sommerdestinationen wie Spanien mit 8.500 Ladestationen und Italien, wo rund 6.400 Stationen zur Verfügung stehen. Hier versprechen lokale Anbieter aber zumindest Besserung: So will etwa der italienische Energieversorger Enel X das Schnelllade-Netz an den Fernstraßen im Land schnell ausbauen: 14.000 Stationen sollen es bis Ende 2022 werden. Einen weiteren Vorteil hat die Wahl eines skandinavischen Ziels übrigens: Elektro- und Wasserstoff-Fahrzeuge zahlen etwa in Norwegen deutlich weniger Maut, E-Camper über 3,5t sind vollständig von der Mautpflicht befreit.
E-Ladestationen in Europa: Rund 71 % der Ladestationen* verteilen sich auf 5 Länder.
Entspannt am Zielort ankommen
Während man sich bei einer Urlaubsfahrt mit einem klassischen Verbrenner-Motor zumeist keine Sorgen machen muss, auf dem Weg eine Tankstelle zu finden, empfiehlt es sich beim E-Auto dringend, Ladestopps bereits vor der Abfahrt zu definieren. „E-Autofahrer sollten sich hierbei auch nicht nur auf ihr Auto-Navi verlassen – Apps wie ‚A Better Routplanner‘, ‚Chargemap‘ oder ‚Moovility‘ sind speziell für Elektro-Autos konzipiert, bieten Routen- und Ladeplanung in einem und kennen häufig weit mehr Ladestationen als die Onboard-Navigation“, erläutert ERGO-Reiseexpertin Birgit Dreyer. Innerhalb Deutschlands bietet das Standort-Tool der Bundesnetzagentur einen guten Überblick. Wer eine weite Anreise hat, sollte zudem prüfen, ob es sich bei den ausgewählten Stationen um klassische Ladesäulen oder Schnellladesäulen handelt, damit sich die Fahrtzeit nicht erheblich verlängert. Je nach Autotyp dauert die Ladung im ersten Fall nämlich rund 2-4 Stunden, während man an einer Schnellladesäule nur rund 30 Minuten veranschlagen muss. Zum Vergleich: An der heimischen Steckdose dauert es mit rund 10 Stunden Ladezeit noch einmal deutlich länger. „E-Autofahrer sollten sich zudem vorab unbedingt darüber informieren, ob ihr Fahrzeug für die Schnellladung ausgestattet ist oder lediglich die technische Voraussetzung dafür besitzt und nachgerüstet werden muss“, ergänzt Birgit Dreyer. Für den Notfall sollte zudem immer auch eine mobile Ladestation im Reisegepäck sein.
Mit dem E-Auto verreisen? 41 % der Deutschen wären bereit.
Laden vor Ort: Lade- oder Kreditkarte?
Vermutlich jeder E-Autofahrer kennt ihn: Den undurchsichtigen Ladekarten-Dschungel. Ob physische Karten oder App: Alleine in Deutschland gibt es rund 200 Anbieter - Tendenz steigend - und damit ebenso viele unterschiedliche Tarifoptionen für die Ladung. Bei der Wahl des Ladekarten-Anbieters lohnt sich ein Blick auf das Partner-Netzwerk desselben: Je Anbieter reicht dann nämlich in einigen Fällen eine einzige Karte aus, um Zugang zu nahezu allen öffentlichen Ladestationen in Europa zu erhalten. „Grundsätzlich ist das Laden im Ausland teils deutlich günstiger als hierzulande“, konstatiert Birgit Dreyer. „Unerwünschte Gebühren können jedoch auch im Ausland lauern: Einige Ladekarten-Anbieter berechnen ihren Nutzern sogenannte 'Roaming-Gebühren‘ – ganz ähnlich wie bis vor einigen Jahren noch im Mobilfunknetz.“ In diesen Fällen sollten E-Autofahrer lieber zu ihrer Kreditkarte greifen und so die teuren Gebühren sparen.
Strom ist nicht gleich Strom
Sich auf dem Campingplatz oder im Ferienhaus an einer Außensteckdose bedienen und damit das Elektro-Auto laden klingt verlockend, kann aber durchaus für Verstimmung beim Platzbetreiber oder Vermieter sorgen: Denn die dort üblichen CEE-Anschlüsse sind eigentlich nur für die Bordversorgung des Campers, Wohnmobils oder Caravans bzw. die Heckenschere oder den Rasenmäher gedacht – nicht aber für große 100-KWh-Akkus beispielsweise eines Teslas oder Mercedes EQV. „Besonders in dörflichen Gebieten in Südeuropa ist das Stromnetz teilweise in die Jahre gekommen, fragil und kann bei Überlastung schnell zusammenbrechen“, weiß Birgit Dreyer. Besonderer Hinweis auch für die Tesla-Fahrer: Während europäische Tesla-Modelle problemlos an den Tesla-eigenen Superchargern oder einer klassischen Ladesäule im Ausland geladen werden können, gilt das nicht für selbst importierte US-Modelle, da dort ein komplett anderes Stecker- bzw. Anschlusssystem genutzt wird.
Hilfe bei einer E-Auto-Panne
Grundsätzlich warnen die modernen Bordcomputer der Elektro-Autos sehr genau und zuverlässig bei einer knapp werdenden Batterie oder sonstigen technischen Schwierigkeiten. Der Fahrer muss mehrere Warnungen bewusst ignorieren, bis wirklich nichts mehr geht. Wenn es doch soweit gekommen ist, gilt: Niemals selbstständig eine Reparatur versuchen – die Technik von Elektro-Autos ist äußerst diffizil, arbeitet mit Starkstrom und darf daher nur von Fachpersonal repariert werden. „ ADAC-Mitarbeiter etwa sind speziell für E-Autos geschult und helfen im Pannenfall auch über die deutschen Landesgrenzen hinweg“, erklärt Reiseexpertin Birgit Dreyer. „Zudem bieten alle großen E-Auto-Hersteller eine Pannenhotline speziell für ihre Fahrzeuge an. Deren Spezialisten bringen dann je nach Lage teilweise sogar eine mobile Ladestation vorbei und laden die Batterie vor Ort wieder auf.“ Wer sich trotzdem auf den Weg in die nächste Werkstatt machen möchte, findet diese vornehmlich in größeren Städten und sollte sich unbedingt vorher deren Expertise über die Pannenhotline bestätigen lassen. Der Gang zum „Hinterhofschrauber“, der auf den ersten Blick die preisgünstigere Variante ist, kann sich schnell als Kostenfalle entpuppen und zieht im schlimmsten Fall sogar einen Garantieverlust nach sich.
Da neben einer Fahrzeug-Panne auf Reisen natürlich auch immer ein Unfall oder sonstige gesundheitliche Probleme auftreten können, sollten Urlauber auch an den Abschluss einer Auslandskrankenversicherung denken.